Deutschland: EuGH zur technischen Bedingtheit bei Designs

Hintergrund
Technische Lösungen können unter bestimmten Voraussetzungen durch Patente und Gebrauchsmuster geschützt werden. Indem die kommerzielle Verwertung für einen begrenzten Zeitraum allein dem Erfinder vorbehalten bleibt, soll technologischer Fortschritt gefördert werden. Nach Ablauf der Schutzdauer soll die technische Lösung aber im Interesse der Allgemeinheit dann für sämtliche Wirtschaftsteilnehmer frei verfügbar sein.

Dies darf nicht durch andere gewerbliche Schutzrechte unterlaufen werden, die ihrerseits andere Voraussetzungen und Schutzgegenstände haben, wie etwa das Designrecht (oder früher: Geschmacksmusterrecht).

Designs gewähren Schutz auf Erscheinungsformen eines Erzeugnisses oder, wie es beim DPMA heißt: „ein zeitlich begrenztes Monopol auf die Form und farbliche Gestaltung Ihres Produktes – vom Auto bis zur Zitronenpresse.“ Schutz erfahren sollen gestalterische Leistungen, ohne dass die Freiheit der technischen Entwicklung beeinträchtigt wird. Daher ist die Monopolisierung von allein technisch bedingten Merkmalen durch Designs ausgeschlossen.

Unklar war aber bisher die Frage, wie der Begriff der ausschließlich technischen Bedingtheit genau zu verstehen ist. Hierzu hat der EuGH nun verbindliche Auslegungskriterien entwickelt (Urt. v. 8.3.2018 – C-395/16 DOCERAM/CeramTec).

EuGH-Entscheidung
Eine Absage erteilt hat der EuGH der bisher auch in Deutschland vorherrschenden Theorie der Formenvielfalt. Nach dieser soll eine ausschließlich technische Bedingtheit bereits aufgrund der Existenz von Designalternativen zu verneinen sein. Danach bliebe der Schutz aber erst dann verwehrt, wenn die angestrebte technische Wirkung ausschließlich durch das eine Design zu erzeugen wäre. Geringfügige gestalterische Alternativen seien aber nahezu immer möglich. Durch Registrierung mehrerer Designs unterschiedlicher Gestaltung, die aber allesamt zur Herbeiführung einer bestimmten technischen Lösung geeignet seien, könne man sich nach diesem Ansatz eine dem Patentschutz vergleichbare Position verschaffen, ohne den im Patentrecht geltenden Voraussetzungen zu unterliegen, so der EuGH.

Angeschlossen hat der EuGH sich vielmehr der sog Kausalitätstheorie. Nach dieser Theorie ist es entscheidend, ob eine technische Funktion der einzige, die Erscheinung der Merkmale bestimmende Faktor war und gestalterische Erwägungen keine Rolle gespielt haben. Zu bestimmen sei dies nach Maßgabe aller objektiven Umstände des Einzelfalls, an denen die Motive für die Wahl der Erscheinungsmerkmale erkennbar würden. Auf die rein subjektive Motivlage des Designers komme es insoweit aber nicht an.

Praxishinweis
Unternehmen sind gut beraten, Produktinnovationen über das Zusammenspiel der gewerblichen Schutzrechte optimal abzusichern. Wer in gestalterischer Hinsicht über das rein technisch Notwendige hinausgeht, dem eröffnet sich auch zukünftig die Schutzmöglichkeit des Designrechts. Auch wenn die subjektive Intention des Designers nicht der entscheidende Faktor ist, empfiehlt es sich, zu Beweiszwecken die einzelnen Produktentwicklungsphasen zu dokumentieren. All diese Erwägungen sollten Bestandteil einer Schutzrechtsstrategie sein, deren Ausarbeitung im Rahmen des Produktlebenszyklus nicht früh genug beginnen kann.

Autor: Henning Kohlmeier