Polen: Befugnisse der staatlichen Agentur beim Erwerb von Agrarflächen durch Handelsgesellschaften

Einleitung
Das Gesetz vom 14.04.2016 über die Einstellung des Verkaufs von Böden des öffentlichen Agrarflächenbestands und über die Änderung einiger sonstiger Gesetze hat die Vorschriften des Gesetzes vom 11.04.2003 über die Gestaltung des landwirtschaftlichen Systems (nachfolgend: „Gesetz“) geändert und die Regeln für den Erwerb der landwirtschaftlichen Flächen in Polen stark modifiziert bzw. beschränkt. Gemäß dem Gesetz wurde der Agentur für landwirtschaftliche Immobilien (poln.: Agencja Nieruchomości Rolnych, nachfolgend: „ANR“ oder „Agentur“) das Vorkaufsrecht betreffend landwirtschaftlich genutzter Grundstücke eingeräumt. Die Regelungen des Gesetzes beziehen sich jedoch nicht nur direkt auf landwirtschaftliche Flächen, sondern auch auf Gesellschaften, die Eigentümer von Agrarland sind. Auch in diesem Bereich kann die Agentur erheblichen Einfluss auf Rechtsgeschäfte nehmen. In- und ausländische Investoren sind deswegen darauf aufmerksam zu machen, dass Transaktionen mit polnischen Agrarflächen im Vorder- und Hintergrund mit einem erhöhten Risiko verbunden sind. Kommt die Transaktion zustande, ruht nun die Hoffnung darauf, dass die Agentur ihre Rechte doch nicht in Anspruch nehmen wird.

Befugnisse der ANR hinsichtlich der Aktien/Anteile an Handelsgesellschaften
Das Gesetz räumt der Agentur das Vorkaufsrecht betreffend Anteile oder Aktien einer Kapitalgesellschaft, die Eigentümerin eines Ackerlandes ist, ein. Im Fall einer Personengesellschaft mit Grundbesitz kann die Agentur bei Gesellschafterwechsel oder Eintritt eines neuen Gesellschafters den Grundbesitz der Gesellschaft durch eine sog. Gestaltungserklärung über den Erwerb dieses Grundstücks gegen Zahlung seines Marktwertes übernehmen. Die gleiche Befugnis steht der Agentur auch dann zu, wenn ein Agrargrundstück aufgrund eines anderen Rechtsgeschäfts, darunter durch Spaltung, Umwandlung oder Verschmelzung einer Handelsgesellschaft erworben wird. Diese Regelung bezieht sich folglich auf jedes andere M&A-Geschäft betreffend eine Handelsgesellschaft, unabhängig davon, ob es sich um eine Personen- oder Kapitalgesellschaft handelt.

Die Agentur verfügt somit über zweierlei Arten von Befugnissen, je nachdem, was Gegenstand des vorgenommenen Geschäfts bezüglich der betreffenden Handelsgesellschaften ist.

  • Vorkaufsrecht
    Beim Verkauf von Anteilen oder Aktien der Kapitalgesellschaften mit landwirtschaftlichem Grundbesitz hat der Verkäufer die Agentur vom Inhalt des abgeschlossenen Vertrags zu informieren. Die Agentur ist in einem solchen Fall befugt, das ihr zustehende Vorkaufsrecht innerhalb eines Monats ab Verkaufsmitteilung auszuüben. Sollte sie das Recht nicht in Anspruch nehmen, können die Anteile oder Aktien an einen Dritten verkauft werden. Im Regelfall bedeutet die Inanspruchnahme des Vorkaufsrechts, dass die Agentur an den Inhalt des zwischen den Parteien bereits ausgehandelten Kaufvertrags gebunden ist und somit auch den im Vertrag bestimmten Preis an den Verkäufer zu bezahlen hat. Sollte jedoch der Kaufpreis für Anteile oder Aktien erheblich vom Marktpreis abweichen, kann die Agentur den Preis gerichtlich festsetzen lassen.
  • Abgabe einer Erklärung über den Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks zu seinem Marktwert
    Ist eine Personengesellschaft Eigentümerin eines Agrarlandes, so hat sie den Wechsel oder Eintritt eines Gesellschafters der ANR innerhalb eines Monats nach Vornahme des betreffenden Rechtsgeschäfts mitzuteilen und Auszüge aus dem Liegenschaftskataster über jedes landwirtschaftliche Grundstück, das im Eigentum der Personengesellschaft steht, zu übermitteln. Der durch die Agentur zu zahlende Betrag richtet sich nicht nach dem Inhalt des betreffenden Rechtsgeschäfts, sondern wird durch die Agentur als Marktwert gemäß den einschlägigen Vorschriften über die Immobilienwirtschaft ermittelt. Bei sonstigen M&A-Geschäften, bei denen Befugnisse der Agentur zum Erwerb des Ackerlandes eintreten, wird der Gegenwert nach anderen Regeln bestimmt.

Ausübung der Befugnisse durch ANR
Die verschärften Regelungen zum Ackerlandkauf in Polen, davon die Befugnisse der ANR im Sinne des Vor- bzw. Ankaufsrechts, gelten seit dem 30.04.2016. Vor diesem Hintergrund scheint es wichtig zu sein, zu wissen, ob bzw. inwieweit die Agentur ihre Befugnisse in diesem Bereich tatsächlich in Anspruch nimmt. Eine gezielte Anfrage bei der Agentur hat ergeben, dass in den ersten vier Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes (der ANR lagen zum Zeitpunkt der Anfrage statistische Daten bis Ende August 2016 vor) bei der ANR insgesamt 326 Verkaufsgeschäfte betreffend Anteile oder Aktien angezeigt worden sind. Während in einigen Woiwodschaften keine Geschäftsvorfälle mitgeteilt wurden, sind z.B. in der Woiwodschaft Heiligkreuz (poln.: świętokrzyskie) im südöstlichen Polen mehr als 200 solcher Mitteilungen bei der Agentur eingegangen. In Bezug auf den Gesellschafterwechsel in Personengesellschaften oder sonstige (außer der Anteils-/Aktienübertragung) mitteilungspflichtige M&A-Geschäfte innerhalb der Handelsgesellschaften hat die Agentur im selben Zeitraum nur sechs Änderungsmitteilungen verzeichnet.

In dem Bezugszeitraum hat die Agentur von ihren Befugnissen im Sinne des Vor- oder Ankaufsrechts hinsichtlich der mitgeteilten Geschäftsvorfälle keinen Gebrauch gemacht.

Fazit
Obwohl die Agentur im beschriebenen Zeitraum ihre gesetzlichen Befugnisse nicht in Anspruch genommen hat, kann dies nicht als Maßstab für die Zukunft angesehen werden. Bei jeweiligen Rechtsgeschäften betreffend Handelsgesellschaften mit landwirtschaftlichen Grundbesitz sollen die Geschäftsparteien ihre Mitteilungspflichten nicht vergessen.

Autoren: Anna Materla & Konrad Schampera