Deutschland: Die Frauenquote kommt nach Deutschland

Die beiden, von der SPD geführten Ministerien der Justiz und für Verbraucherschutz sowie für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, haben am 25. März 2014 Leitlinien zur Konkretisierung der im Koalitionsvertrag angekündigten Quotenvorgaben vorgestellt. Diese Leitlinien zu dem geplanten „Gesetz für die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen und Männern an Führungspositionen der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ enthalten eine gesetzliche „Geschlechterquote“ für den Aufsichtsrat von börsennotierten, der paritätischen Mitbestimmung unterliegenden Unternehmen. Weiter werden verbindliche Zielvorgaben für andere börsennotierte oder der Mitbestimmung unterliegende Unternehmen gestellt und schließlich für den Bereich öffentlicher Unternehmen weitergehende Anforderungen vorgesehen.

Gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsräten
Vorgesehen ist eine gesetzliche 30 %-Quote für Aufsichtsräte von voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Folglich wären börsennotierte Aktiengesellschaften und KGaA, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, d.h. ab 2000 Mitarbeiter, von der geplanten gesetzlichen Geschlechterquote erfasst.

Alle ab dem 1. Januar 2016 zu besetzenden Aufsichtsratspositionen müssen sich an dieser Quote messen lassen. Nach den Leitlinien scheint bei der Berechnung der Anzahl der von 30 % betroffenen Aufsichtsratssitzen bereits ab 2,1 aufgerundet zu werden. Die Quote muss von Arbeitnehmer- und Anteilseignerbank jeweils gesondert eingehalten werden. Eine Übererfüllung der Quote z.B. von Arbeitnehmerseite wird also nicht auf eine „männerlastige“ Aktionärsseite angerechnet. Verstößt die Wahl gegen die Quotenvorgabe, soll diese nichtig sein. Bei der Einzelwahl ist der Wahlbeschluss nichtig, der als erster das Mindestanteilsgebot verletzt bzw. ebenso die nachfolgenden. Bei einer gegen die Quotenvorgabe verstoßenden Blockwahl wäre die gesamte Wahl bezogen auf die Aufsichtsräte des überrepräsentierten Geschlechts nichtig. Die dem minder repräsentierten Geschlecht angehörigen Aufsichtsratskandidaten wären allerdings wirksam gewählt. Die Nichtigkeit der Wahl kann durch die Nichtigkeitsklage nach §§ 249, 250 AktG geltend gemacht werden. Klagebefugt sind die Aktionäre, der Vorstand als Organ sowie jedes Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsrates. Abgesehen davon ist das unter Verstoß gegen die Quote gewählte Mitglied nicht wirksam in den Aufsichtsrat berufen. Seine Stimme ist also „nicht existent“; kommt es gerade auf diese Stimme an, ist der Beschluss nicht zustande gekommen – was ja auch Jahre später katastrophale Perspektiven eröffnen kann.

Verbindliche Zielvorgaben für Aufsichtsräte, Vorstände und oberste Managementunternehmen – die sogenannte „Flexiquote“
Börsennotierte Unternehmen, unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter, und Unternehmen, die der Mitbestimmung unterliegen, sollen gesetzlich verpflichtet werden, sich ab 2015 verbindliche Zielvorgaben und -fristen für die Erhöhung des Frauenanteils in Vorstand, Aufsichtsrat und den zwei Managementebenen unter dem Vorstand zu setzen. Eine konkret in Prozentzahlen festgelegte Zielvorgabe ist allerdings nicht gesetzlich vorgesehen. Diese werden von Aufsichtsrat und Vorstand selbstbestimmt festgelegt. Von der Flexiquote wären damit auch nicht börsennotierte GmbH, Aktiengesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern erfasst, ebenso Genossenschaften.

Über die Zielgrößen und Fristen für die drei oben genannten Bereiche müssen die Unternehmen öffentlich berichten, ebenso über das Erreichen oder Nichterreichen der Quote und die Gründe dafür. Fehlerhafte Angaben und Berichte sollen gegebenenfalls die Entlastung von Aufsichtsrat und Vorstand verhindern, so die Leitlinien. Ob noch weitergehende Sanktionen, etwa auf arbeitsrechtlicher Seite drohen, bleibt wohl der Phantasie der Gerichte überlassen.

Besondere Vorgaben für öffentliche Unternehmen
Das System der verbindlichen Zielvorgaben soll bei den Führungspositionen der Bundesverwaltung, den Gerichten und den Unternehmen des Bundes, beginnend ab der jeweils untersten Führungsebene (welche ist das denn?) realisiert werden. Dies soll auch für Unternehmen gelten, an denen der Bund mehr als 50 % der Anteile hält. Vorgesehen ist zudem, dass ein Gleichstellungsplan alle vier Jahre zu erstellen ist, der von dem Unternehmen als Planungs-, Steuerungs- und Kontrollinstrument genutzt wird. Der Plan ist zu veröffentlichen. Noch nicht ganz klar, aber naheliegend ist, dass die Personal- und Gleichstellungsgesetze der Länder dem Vorbild des Bundes folgen werden. Dann wäre es eigentlich auch naheliegend, die Geschlechterquote auch auf Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Selbstverwaltung der Wirtschaft zu erstrecken, also etwa auf Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Rechtsanwaltskammern.

Fazit
Die „harte“ Quote von 30 % betrifft die weniger als 100 großen börsennotierten Unternehmen, die aber einen enormen Teil der Volkswirtschaft repräsentieren. Die „weichere“ Flexiquote hingegen erfasst auch eine Vielzahl weniger bekannte Unternehmen, auch in Familienhand, die personalintensiv sind, z.B. Krankenhausträger, Heimbetreiber und Gebäudedienstleister. Unbestreitbar ist die Frauen- ebenso wie die Flexiquote ein massiver Eingriff in die Eigentumsrechte und Personalhoheit der Anteilseigner, mag das Unternehmen nun börsennotiert sein oder nicht. Entsprechend lebhaft und ideologisch geprägt sind die aktuelle ordnungspolitische Diskussion sowie die Stellungnahmen etwa der Wirtschaftsverbände. Die Quote ist aber politisch gewollt, die Messe im Prinzip gelesen. Es wird wohl nur noch um Nuancen und Fristen gehen. Es liegt nahe, dass gerade eigentümergeführte Unternehmen verstärkt nach Wegen suchen werden, aus der ohnehin nicht beliebten Mitbestimmung der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat auszubrechen. Gestaltungsmöglichkeiten hierzu gibt es durchaus. Sprechen Sie uns bitte an.


Autor: Heiko Hellwege (Bukarest, Osnabrück, Shanghai)