Deutschland: Harte Zeiten für Steuerhinterzieher
- Weitere Erschwerungen für die strafbefreiende Selbstanzeige

Steuerhinterziehung ist überall in der Welt eine Straftat. In Deutschland ist sie aber seit alters her mit der Besonderheit verbunden, dass sich der Steuerhinterzieher durch eine Selbstanzeige und Zahlung der hinterzogenen Steuern vollständig und zwingend Straffreiheit verschaffen kann.

Dieses „Friedensangebot“ des Gesetzgebers ist nicht zuletzt durch den „Hoeneß-Fall“ in die gesellschaftspolitische Diskussion geraten. So hatten die Finanzminister der Bundesländer bereits im Mai 2014 das Bundesministerium der Finanzen aufgefordert, die Vorschriften über die strafbefreiende Selbstanzeige deutlich zu verschärfen. Teilweise war sogar deren vollständige Abschaffung verlangt worden.

Das Bundesfinanzministerium hat nunmehr am 27.08.2014 einen entsprechenden Gesetzentwurf veröffentlicht. Dieser sieht eine ganze Reihe von Verschärfungen der bisherigen Voraussetzungen vor, um die Straffreiheit zu erlangen. Andererseits soll aber auch die Korrektur von fehlerhaften Umsatzsteuer- und Lohnsteuervoranmeldungen – wo häufig nur aus Unwissenheit Fehler gemacht werden – erleichtert werden. Für den 24.11.2014 ist eine Expertenanhörung durch den Finanzausschuss des deutschen Bundestages vorgesehen, sodass die Verschärfungen mit Beginn des Jahres 2015 in Kraft treten können. Es bleibt also nicht viel Zeit, das derzeit noch günstigere alte Recht zu nutzen.

Welche Verschärfungen sieht der Entwurf nun im Einzelnen vor?

Zehnjähriger Berichtigungszeitraum
Der Berichtigungszeitraum (zu allen „unverjährten Steuerstraftaten“, § 371 Absatz 1 Abgabenordnung/AO), für den die unterlassenen/fehlerhaften Angaben ergänzt/berichtigt werden müssen, wird auf zehn Jahre festgesetzt. Bisher galt der 10-Jahreszeitraum nur für Steuerhinterziehungen in besonders schweren Fällen (§§ 370 Absatz 3 i. V. m. 376 AO), das heißt z.B. bei Hinterziehungsvolumina über 100.000,00 Euro oder bei Verwendung gefälschter Belege.

Nunmehr müssen auch bei einer „einfachen“ Steuerhinterziehung alle fehlerhaften Angaben für die zurückliegenden zehn Jahre korrigiert werden. Für den „normalen“ Steuerhinterzieher ist das eine fast unlösbare Aufgabe. Denn wer ist schon so töricht und hebt zehn Jahre lang alle Belege etwa über Schwarzgeschäfte auf? Oder wer weiß schon, was er vor zehn Jahren getrieben hat?

Sperrgründe
Die Sperrgründe „Bekanntgabe der Prüfungsanordnung“ und „Bekanntgabe der Einleitung des Straf-/Bußgeldverfahrens“ werden dahingehend modifiziert, dass die Bekanntgabe nicht nur gegenüber dem Täter, sondern gegenüber allen Tatbeteiligten (Gehilfe/Anstifter) möglich ist. Die Finanzbehörden neigen ja häufig dazu, auch den Steuerberater oder den Bankangestellten als Gehilfen zu beschuldigen und werden sich erwartungsgemäß auf den Standpunkt stellen, dass schon bei Durchsuchungen dort die Selbstanzeige für den Mandanten/Kunden gesperrt ist. Zudem tritt die Sperrwirkung mit dem Erscheinen eines Prüfers zum Zweck einer USt-/LSt-Nachschau etc. ein.

Hinterziehungsvolumen: Maximal 25.000,00 Euro
Die strafbefreiende Selbstanzeige ist gesperrt, sobald ein Hinterziehungsvolumen von 25.000,00 Euro überschritten wurde. Bisher beschränkte sich ein dahingehender Sperrgrund auf ein Hinterziehungsvolumen von mehr als 50.000,00 Euro. Neu eingefügt wurde ein Sperrgrund, der die strafbefreiende Selbstanzeige bei einer Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall (§ 370 Absatz 3 Satz 2 Nr. 2 bis 5 AO) ausschließt.

Folge: Für die genannten Fälle kann nur noch gemäß § 398a AO gegen Zahlung eines Strafzuschlages (10 – 20 Prozent) von der Strafverfolgung abgesehen werden.

Die sofortige Entrichtung der Hinterziehungs- und Nachzahlungszinsen ist künftig zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung für die strafbefreiende Selbstanzeige. Bislang war diese von der Zahlung des Hinterziehungsbetrages abhängig.

Strafzuschlag bis zu 20 Prozent
Ist wegen des Eingreifens von Sperrgründen (§ 371 Absatz 2 AO) die Selbstanzeige ausgeschlossen, kann von der Strafverfolgung dennoch abgesehen werden, wenn der Steuerhinterzieher neben der Steuernachentrichtung einen „Strafzuschlag“ an die Staatskasse leistet. Dieser beträgt bislang 5 Prozent des Hinterziehungsvolumens, soll aber nunmehr angehoben und mit folgender Staffelung festgesetzt werden:

  • 25.000,00 Euro – 100.000,00 Euro = 10 %
  • 100.001,00 Euro – 1.000.000,00 Euro = 15 %
  • ab 1.000.001,00 Euro = 20 %

Voraussetzung für ein Absehen von Strafverfolgung gegen Zahlung eines Strafzuschlages ist, dass innerhalb einer vom Finanzamt zu bestimmenden, angemessenen Frist sowohl der hinterzogene Steuerbetrag als auch die Hinterziehungs- und Nachzahlungszinsen und der Strafzuschlag gezahlt werden.

Sonderfall: Voranmeldungen
Im Bereich der Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen soll eine strafbefreiende Selbstanzeige auch bei Überschreiten der Sperrgrenze von 25.000,00 Euro möglich sein. Zugleich ist eine mehrfache Korrektur möglich.

Nicht deklarierte ausländische Kapitalerträge
Die steuerliche Anlaufhemmung für nicht deklarierte ausländische Kapitalerträge wird dahingehend modifiziert, dass der Beginn der Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres der Kenntniserlangung durch das Finanzamt eintritt.

Fazit
Für die strafbefreiende Selbstanzeige wird die Luft in Zukunft ziemlich dünn. Denn wer wird realistischer Weise in der Lage sein, für die letzten zehn Jahre den hinterzogenen Betrag exakt zu errechnen? Gemeinsam mit den Strafzuschlägen und den Zinsen entsteht ein – gegebenenfalls sehr großzügig zu schätzender – Nachzahlungsbetrag, der die individuelle Leistungsfähigkeit regelmäßig weit überfordern dürfte.

Schade und ärgerlich ist auch, dass sich die Finanzbürokratie nur für die Umsatz- und Lohnsteuer der Erkenntnis öffnen will, dass falsche Erklärungen häufig nicht auf bösem Willen, sondern auf der Komplexität und Unübersichtlichkeit des deutschen Steuerrechts beruhen. Warum soll der Steuerpflichtige nicht auch im Bereich der Einkommens- und Körperschaftssteuer darlegen dürfen, dass kein Hinterziehungsvorsatz bestand, um sich so den Strafzuschlag zu ersparen?

Wer noch etwas zu bereinigen hat, hat spätestens aus dem Fall Hoeneß gelernt, dass schon nach heutigem Recht die Selbstanzeige „Millimeterarbeit“ ist. Denn wird nicht wirklich vollständig reiner Tisch gemacht und alles bezahlt, war alles für die Katz. Eine enge Zusammenarbeit zwischen steuerlichen und rechtlichen Beratern, insbesondere unseren Experten für Wirtschaftsstrafrecht, ist daher der Schlüssel zum Erfolg.

Autor: Heiko Hellwege (Osnabrück, Bukarest, Shanghai)