Deutschland: Europarechtskonforme Auslegung des § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB

Der EuGH hatte der Frage zu befassen, ob und inwieweit es zulässig ist, den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gem. § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB auszuschließen, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis zunächst ordentlich gekündigt hat, ihm jedoch nach Vertragsende Gründe bekannt werden, die eine fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten.

Art. 18 lit. a der Richtlinie 86/653/EWG zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbstständigen Handelsvertreter lässt es nicht zu, dass ein selbstständiger Handelsvertreter seinen Ausgleichsanspruch verliert, wenn der Unternehmer ein schuldhaftes Verhalten des Handelsvertreters feststellt, das nach dem Zugang der ordentlichen Kündigung des Vertrags und vor Vertragsende stattgefunden hat und das eine fristlose Kündigung des Vertrags gerechtfertigt hätte.

Der BGH hat in dem Vorlagebeschluss seine jahrzehntelange Rechtsprechung wiedergegeben, nach der es für den Ausschluss des Ausgleichsanspruchs nicht darauf ankommt, dass der wichtige Grund für die Kündigung des Unternehmers ursächlich gewesen ist, sondern es ausreicht, dass im Zeitpunkt der Kündigung ein solcher Kündigungsgrund objektiv vorlag. An einem Festhalten an dieser Rechtsprechung sah sich der BGH aber wegen der in der ober-gerichtlichen Rechtsprechung und Literatur immer stärker werdenden Auffassung, sie lasse sich nicht mit Art. 18 der Handelsvertreter-Richtlinie vereinbaren, gehindert und legte die Frage dem EuGH vor.

Dieser teilte die Einschätzung des BGH nicht. Aufgrund der vom Unionsgesetzgeber verwendeten Präposition „wegen“ muss zwischen dem schuldhaften Verhalten des Handelsvertreters und der Entscheidung des Unternehmers, den Vertrag zu beenden, ein unmittelbarer Ursachenzusammenhang bestehen. Der Ausgleichsanspruch kann mithin nicht versagt werden, wenn der Unternehmer, nachdem er den Vertrag gegenüber dem Handelsvertreter ordentlich gekündigt hat, ein schuldhaftes Verhalten des Vertreters feststellt, das eine fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte. Möglich bleibe allerdings, das Verhalten des Handelsvertreters bei der Höhe des Ausgleichs im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen.