Österreich: Erneute Reformierung der strafrechtlichen Kronzeugenregelung in Österreich

Bereits am 01.01.2011 sind Teile des "strafrechtlichen Kompetenzpaketes" in Kraft getreten, mit dem unter anderem eine "große Kronzeugenregelung" in das österreichische Strafrecht aufgenommen wurde. Der 2016 erstmals verlängerte Aufdeckungsmotor für Kartelle und Korruption wird nun um weitere 7 Jahre verlängert und leicht adaptiert. Das nunmehr mögliche Kontaktieren der Kriminalpolizei neben der Staatsanwaltschaft soll den Zugang zu dem Instrument erleichtern. Im Kartellrecht sollen allerdings nur noch kooperierende Mitarbeiter geschützt sein.


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Was umfasst die „große Kronzeugenregelung“?

Die 2011 eingeführte, und 2016 bereits erstmals verlängerte „große Kronzeugenregelung“ wurde bisher bereits 15 Mal eingesetzt. Die Regelung umfasst in unterschiedlicher Ausgestaltung einerseits korruptionsrechtliche Vergehen wie die Veruntreuung, (gewerbsmäßig) schwerer Betrug sowie weitere Taten, andererseits Submissionskartelle, dh Absprachen von Angeboten bei Ausschreibungsverfahren.

Was wird bei der Kronzeugenregelung für Korruptionsdelikte reformiert?

Der sich auf Korruptionsdelikte beziehende § 209a StPO soll insofern ergänzt werden, als das ab 01.01.2022 auch die Kriminalpolizei, und nicht wie bisher ausschließlich die Staatsanwaltschaft, als Ansprechpartner für Kronzeugen fungieren sollen und somit der Zugang zu dem Instrument vereinfacht werden soll.

Welche Rolle spielt die Kronzeugenregelung im Kartellrecht?

Im Kartellrecht gibt es bereits seit 2006 eine Kronzeugenregelung für Unternehmen, wonach diese Kartellrechtsverstöße bei der Bundeswettbewerbsbehörde anzeigen und bei der weiteren Aufdeckung mit der Bundeswettbewerbsbehörde kooperieren können. Anschließend kann die Bundeswettbewerbsbehörde gemäß § 11 Abs 3 WettbG unter den dort genannten Voraussetzungen von der Beantragung der Verhängung einer Geldbuße absehen oder zumindest eine geminderte Geldbuße beantragen, letzteres wenn der Bundeswettbewerbsbehörde der Sachverhalt bereits bekannt war.

Für Wettbewerbsbehörden ist die Kronzeugenregelung ein wertvolles und bewährtes Instrumentarium zur Aufdeckung von Kartellen, welches bisher innerhalb der Europäischen Union allerdings keine allfällige strafrechtliche Komponente für die an einem Kartell beteiligte Mitarbeiter abgedeckt hatte. Durch die 2011 in § 209b StPO eingeführte strafprozessrechtliche Regelung nahm Österreich innerhalb der Europäischen Union eine Vorreiterrolle ein und wurde zum Vorbild für Artikel 23 der sog ECN+-Richtlinie, wonach Mitarbeitern, die in gerichtlich strafbaren Absprachen involviert waren, die Möglichkeit geschaffen werden muss, bei voller Kooperation mit Behörden und Gerichten, persönliche Straffreiheit zu erlangen.

Welche Änderungen bringt der neue Gesetzesentwurf für die kartellrechtliche Regelung?

Der nun vorgelegte Gesetzesentwurf schränkt im kartellrechtlichen Bereich die Anwendung der Kronzeugenregelung nunmehr allerdings insofern ein, als eine allfällige Straffreiheit nun explizit nur noch für kooperierende und nicht mehr für alle Mitarbeiter des Unternehmens Anwendung finden kann.

Allerdings können die Mitarbeiter weiterhin keinen eigenen Antrag nach § 209b StPO stellen. Diese müssen wie bislang darauf vertrauen, dass die Bundeswettbewerbsbehörde zunächst dem Unternehmen einen Kronzeugenstatus einräumt und anschließend für die Mitarbeiter beim Bundeskartellanwalt Straffreiheit beantragt. Dieser stellt im nächsten Schritt einen Antrag auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen diese Mitarbeiter bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat dann nach Offenbarung aller Tatsachen, die für die Aufklärung von Relevanz sind, das Ermittlungsverfahren einzustellen.

Welche Erwartungen hat man an die Reform der strafrechtlichen Kronzeugenregelung für Submissionsabsprachen?

In den Erläuternden Bemerkungen wird davon ausgegangen, dass es so zu einer kürzeren Verfahrensdauer kommen solle. Wie dies in der Praxis allerdings wirklich erreicht werden kann, bleibt bei Bestehen des derzeitigen Mechanismus noch offen.

Es bleibt abzuwarten, welche finale Form die Kronzeugenregelung in der StPO annehmen wird. Momentan befindet sie sich in der Begutachtungsphase, welche bis 08.11.2021 andauert. Die derzeitige Regelung läuft mit Ende 2021 aus.

 



Autor: Christina Hummer