Österreich: Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Die „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ (GesbR) ist die älteste heute noch in Geltung stehende Gesellschaftsform in Österreich. Die Regelungen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) sind teilweise veraltet und beruhen weitgehend auf der Stammfassung des ABGB aus dem Jahr 1811.

Die GesbR hat für jene gesellschaftsrechtliche Zusammenschlüsse Bedeutung, die nicht das Maß an Formalität, Publizität und teilweise auch Dauerhaftigkeit wie andere Gesellschaftsformen aufweisen. Im Bereich der freiberuflichen Tätigkeit oder in der Bauwirtschaft (Stichwort: „ARGE“), in Familienbetrieben, bei Jagd- und Fischereigemeinschaften oder bei Syndikatspartnern und Joint Ventures erfolgt regelmäßig keine Vergesellschaftung in Form einer Offenen- (OG), Kommandit- (KG), oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH).

Nicht zuletzt aufgrund der herrschenden Rechtsunsicherheit, dass gesetzliche Regelungen fehlen, soll das Recht der GesbR in einem "GesbR-Reformgesetz" umfassend novelliert werden.

Die Bestimmungen sollen überwiegend mit 01.01.2015 in Kraft treten.

Vorrang der Privatautonomie
Die Regelung des Gesellschaftsverhältnisses soll wie bisher grundsätzlich der Disposition der Parteien des Gesellschaftsvertrags zukommen. Aus dem Gesetz sollen aber alle wichtigen Ordnungsfragen der Gesellschaft beantwortet werden können.

Rechtsnatur der GesbR
Die GesbR soll weiterhin eine zwischen den Gesellschaftern begründete Rechtsbeziehung ohne eigene Rechtsfähigkeit bleiben. Sofern die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft (selbst) angestrebt wird, kann dies durch Eintragung einer OG oder KG (jeweils unter Beachtung der dafür geltenden Regelungen) erreicht werden.

Beabsichtigt ist, dass bei der Anwendung nachstehender Regelungen eine Differenzierung vorgenommen wird, abhängig davon, ob die Gesellschaft ein Unternehmen betreibt oder nicht:

  • Für die Zweifelsregel, ob eine Außen- oder lediglich eine Innengesellschaft vorliegt;
  • für die Reichweite des Verbots einer Konkurrenztätigkeit, und
  • für das Vertretungsrecht.

Regelungen über die Vertretung und Haftung im Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten sollen nur für gemeinschaftlich im Rechtsverkehr auftretende Gesellschaften gelten.

Vermögensordnung
Da die GesbR nicht rechtsfähig ist, gibt es grundsätzlich kein Vermögen der GesbR im eigentlichen Sinn. Was "zum Gesellschaftsvermögen gehört", kann nur den Gesellschaftern persönlich zugerechnet werden. Aber es gibt Vermögenswerte, die von den Gesellschaftern der gemeinsamen Zweckverfolgung gewidmet werden. Von der Lehre und Rechtsprechung werden zum Gesellschaftsvermögen gehörende Forderungen (gemeinschaftliche Forderungen der Gesellschafter) als sog. „Gesamthandforderungen“ qualifiziert. Sie können daher nur von allen Gesellschaftern gemeinsam geltend gemacht werden bzw. kann der Schuldner nur an alle Gesellschafter gemeinsam schuldbefreiend leisten. Wie bisher soll kein „Gesamthandeigentum“ an körperlichen Sachen zugelassen werden.

Gläubiger eines Gesellschafters sollen auch weiterhin exekutiv auf gesellschaftsgebundene Miteigentumsanteile zugreifen und nach § 333 Exekutionsordnung (EO) durch Kündigung der Gesellschaft das Auseinandersetzungsguthaben verwerten können. Zudem soll es, vergleichbar mit § 135 Unternehmensgesetzbuch (UGB), eine Kündigung durch den Privatgläubiger geben.

Innenrecht
Die GesbR ist eine Personengesellschaft, die systematisch zwischen den eingetragenen Personengesellschaften und der schlichten Miteigentumsgemeinschaft steht. Bislang bestanden wesentliche Unterschiede zum Recht der OG, nun soll eine Annäherung erfolgen. Damit soll auch die Umwandlung der GesbR in eine OG oder KG erleichtert werden, die nach § 8 Abs. 3 UGB grundsätzlich bei Überschreitung bestimmter Umsatzschwellen (700.000 Euro) verpflichtend vorgesehen ist. Zu beachten ist, dass dieser Wert künftig 500.000,00 Euro sein soll.

Wesentliche Änderung ist, dass an die Stelle der bisherigen Gesamtgeschaftsführung eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis für gewöhnliche Geschäfte treten soll. Die übrigen Gesellschafter haben ein Widerspruchsrecht.

Für außergewöhnliche Geschäfte soll das Einstimmigkeitsprinzip gelten. Im Streitfall kann auf Zustimmung geklagt werden.

Die Regeln zur Gewinn- und Verlustberechnung, die Ausschüttung und sonstige Entnahmen werden weitgehend vom OG-Recht übernommen.

Gesellschaftsbezogene Verpflichtungen eines Gesellschafters sollen in Hinkunft von jedem Gesellschafter zugunsten des Gesellschaftsvermögens oder zugunsten aller Gesellschafter gemeinsam eingefordert werden können („actio pro socio“).

Außenrecht
Die Befugnis zur Vertretung der Gesellschafter soll grundsätzlich so weit reichen wie die Geschäftsführungsbefugnis.

Zu beachten: Für eine unternehmenstragende GesbR soll aus Verkehrsschutzgründen weiterhin eine Vertretungsregelung nach Vorbild des bisherigen § 178 UGB gelten. Das bedeutet. dass bei Handeln der Gesellschafter (oder der zur Vertretung der Gesellschaft bestellten Personen) alle Gesellschafter aus dieser Handlung berechtigt und verpflichtet werden. Künftig wird klargestellt, dass die Gesellschafter einer nach außen auftretenden GesbR grundsätzlich unbeschränkt solidarisch für die gesellschaftsbezogenen Verbindlichkeiten haften.

Gesellschafternachfolge, Umwandlung und Auflösung
Eine Änderung in der Zusammensetzung der Gesellschaft ist grundsätzlich nur im Einvernehmen der Gesellschafter möglich. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes soll ein Gesellschafter aber auch gegen seinen Willen gerichtlich ausgeschlossen werden können.

Im Fall der Übertragung eines Gesellschaftsanteils sollen die gesellschaftsinternen Rechtspositionen automatisch auf den Erwerber übergehen. Auch Miteigentumsanteile an beweglichen Sachen sollen übergehen, ohne dass die Anteile im Einzelnen übertragen werden müssen (Durchbrechung des Traditionsprinzips). Für bücherliche Rechte bleibt es aus Publizitäts- und Praktikabilitätsgründen bei der Einzelübertragung.

Rechtsverhältnisse mit Dritten sollen auf den nachfolgenden Gesellschafter nur dann wirksam übergehen, wenn der Dritte zugestimmt hat. Diese Zustimmung wird fingiert, sofern der Dritte verständigt wurde und nicht innerhalb angemessener Frist widerspricht .

Da die Umwandlung einer GesbR in eine OG/KG möglichst einfach erfolgen soll, wird eine Gesamtrechtsnachfolge normiert, wobei auch hier bücherliche Rechte gesondert übertragen werden sollen.

Die Auseinandersetzung mit dem ausscheidenden Gesellschafter und seiner Beteiligung an schwebenden Geschäften soll sich am OG-Recht orientieren. Gleiches gilt für die Fortsetzung der GesbR mit den Erben eines Gesellschafters und die Auflösung und Liquidation der GesbR.

Übergangsbestimmungen - Optionsrecht

Für bereits bestehende GesbR ist für die (großteils dispositiven) Bestimmungen betreffend das Innenrecht ein Optionsmodell vorgesehen:

  • Sofern keiner der Gesellschafter binnen Jahresfrist nach Inkrafttreten des GesbR-RG die Erklärung abgibt, das zuvor geltende Recht beibehalten zu wollen, ist ab 01.07.2016 auch in diesen Gesellschaften die neue Rechtslage maßgeblich.
  • Wird eine solche Erklärung abgegeben, gelten die betreffenden Bestimmungen für diese "Altgesellschaft" erst ab 2022.

Die „Erläuternden Bemerkungen“ zum Gesetzestext weisen darauf hin, dass sich für die Gesellschaft während ihrer Dauer nichts ändert, soweit der Gesellschaftsvertrag - zulässigerweise - abweichende Regelungen zum neuen Recht der GesbR vorsieht.

Fazit
Wie schon bisher ist davon auszugehen, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts im wirtschaftlichen Leben weiterhin wesentliche Bedeutung haben wird.

Die Gesellschafter der GesbR haben, da die beabsichtigten gesetzlichen Regelungen überwiegend dispositiv sein sollen, weiterhin umfassende Möglichkeiten zur Gestaltung der Gesellschaftsrechte. Zu beachten ist, dass mangels einer abweichenden Regelung künftig jedenfalls die gesetzlichen Regelungen zur Anwendung kommen. Es sollte daher überprüft werden, ob in bestimmten Belangen konkreter Regelungsbedarf besteht.

Autor: Christoph Luegmair (Linz)