Polen: Die Tücke des Urheberrechts

Hintergrund
Im Hinblick auf die wachsende Bedeutung von Innovationen in der Wirtschaft der Mitgliedstaaten zählt der Schutz des geistigen Eigentums mit Sicherheit zu den Kernfragen des Europäischen Binnenmarktes. Eine vollständige Harmonisierung des Urheberrechts auf europäischer Ebene ist bisher nicht erfolgt. Im Einzelnen bestehen daher erhebliche Unterschiede auf nationaler Ebene. Aktuelle Fragestellungen hinsichtlich der Verletzung urheberrechtlicher Vorschriften in Polen werden im Nachfolgenden dargestellt.

Polnisches Urheberrechtsgesetz
Das Urheberrecht in Polen wird durch das Gesetz vom 04.02.1994 über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte geregelt. Gegenstand urheberrechtlicher Vorschriften ist der Schutz der weit verstandenen schöpferischen Tätigkeit. Der polnische Gesetzgeber unterscheidet sehr deutlich zwischen Urheberpersönlichkeitsrechten und Verwertungsrechten. Die Ersteren sind nicht veräußerbar und zeitlich unbegrenzt. Hierzu gehört insbesondere das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft am Werk, auf Kennzeichnung des Werkes mit eigenem Namen, einem Pseudonym oder aber auf dessen anonyme Veröffentlichung. Das Recht erstreckt sich darüber hinaus auf die Entscheidung über die Erstveröffentlichung oder auch auf jegliche Änderungen am Werk. Durch die Verwertungsrechte dagegen kann der Urheber über die Benutzung seines Werkes in allen Verwertungsbereichen entscheiden und daraus wirtschaftliche Vorteile ziehen. Verwertungsrechte sind übertragbar/veräußerbar und erlöschen im Prinzip 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers.

In Bezug auf den Charakter des Schutzgegenstandes gewährt der polnische Gesetzgeber dem Urheber kein Eigentumsrecht, sondern schafft ein eigentumsähnliches Rechtskonstrukt. In Art. 23 des polnischen Urheberrechtsgesetzes wurde das Rechtsinstitut der angemessenen Verwendung zum privaten Gebrauch integriert. Hierdurch soll ein Gleichgewicht zwischen den Rechten und Interessen der Urheber und denjenigen der Benutzer geschaffen werden. Der private Gebrauch umfasst die Verwendung von einzelnen Werkexemplaren durch Personen, die zueinander in einer persönlichen Beziehung, insbesondere durch Verwandtschaft, Verschwägerung oder private Beziehung, stehen.

Der private Gebrauch
Art. 23 des Urheberrechtsgesetzes bezieht sich auf sämtliche Verwendungsformen. Für Benutzer des Werkes ist dessen Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch bzw. zum Gebrauch durch nahestehende Personen in der Praxis von größter Bedeutung. Für die Benutzung von Werken im Rahmen der zulässigen privaten Verwendung sieht das Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vor. In Bezug auf Computerprogramme, elektronische Datenbanken, architektonische und architektonisch-städtebauliche Werke, aber auch hinsichtlich Baumaßnahmen nach den veröffentlichten Planungsarbeiten ist der Gebrauch zu wissenschaftlichen Zwecken zulässig, soweit er keinem Erwerbszweck dient.

Die Verbreitung eines Werkes bedeutet, dass es in irgendeiner Form mit Zustimmung des berechtigten Urhebers der Öffentlichkeit angeboten wird. Im Rahmen des zulässigen Gebrauchs können bereits verbreitete Werke auch in anderen, bisher nicht verwendeten Formen in Verkehr gebracht werden. Der Aufnahme eines bereits, z.B. ausschließlich im Radio, verbreiteten Werkes auf einer CD steht nichts entgegen, soweit der Benutzer das Werk zum eigenen Gebrauch und zum Gebrauch seiner Familienangehörigen aufgezeichnet hat. Das Werk kann auch in einem informationstechnischen System verbreitet werden, soweit es sich um ein geschlossenes System handelt. Dass die Verwendung für eigene berufliche Zwecke grundsätzlich ein privater Gebrauch bleibt, ist als herrschende Meinung anzusehen. Wichtig ist, dass das Werk nicht außerhalb des Personenkreises nach Art. 23 Abs. 2 des Gesetzes verwendet und verbreitet wird. Der zulässige private Gebrauch erfolgt unentgeltlich. Dies bedeutet insbesondere, dass dem Berechtigten aus dem Verwertungsrecht (Urheber) keine Vergütungsansprüche im Hinblick auf eine konkrete Verwertungsform im Sinne des Art. 23 zustehen.

Früchte des vergifteten Baumes
Die Anforderung der Einholung der Urheberzustimmung bezieht sich auf die Erstveröffentlichung. Wird demnach ein gesetzmäßig verbreitetes Werk den Verwertungsrechten zuwider weiter verbreitet, bleibt der zulässige private Gebrauch der Inhalte aus „illegaler Quelle” davon unberührt. Die Beweislast in Bezug auf die Verbreitung mit Zustimmung des Urhebers, liegt bei demjenigen, der sich auf das Handeln im Rahmen des privaten Gebrauchs beruft. Es wird auch eine abweichende Auffassung vertreten, wonach die rechtmäßige Nutzung eines bei Urheberrechtsverletzung verbreiteten Werkes ausgeschlossen ist. Der Standpunkt bezieht sich auf die Grenzen des zulässigen Gebrauchs. Nach Maßgabe des Art. 35 des Gesetzes darf der private Gebrauch das berechtigte Urheberinteresse nicht beeinträchtigen. Die gleiche Auffassung vertrat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C-435/12. Im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens betreffend der Gleichstellung von „Raubkopien“ mit legalen Vervielfältigungen hat der EuGH bestätigt, dass sich der private Gebrauch nicht auf illegal angefertigte Kopien bezieht. Nach Ansicht des Gerichtshofes würde die private Verwendung in einem solchen Sinne den Binnenmarkt beeinträchtigen und zum Nutzen von „Raubkopien“ beitragen.

Demzufolge weist die bisherige nationale Regelung im Hinblick auf den privaten Gebrauch noch keinen restriktiven Charakter auf. Dennoch werden gesetzgeberische Maßnahmen zu deren Änderung durchgeführt.

Unpräzise Tatbestände der Strafrechtlichen Verantwortung
Ein damit verwandtes Thema ist auch die jüngst vieldiskutierte rechtmäßige Nutzung von Werken im Internet. Wie Art. 115 Abs. 2 des Gesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vorschreibt, ist außer der Aneignung oder Verbreitung des Werkes ohne Angabe des Namens oder Pseudonyms des Berechtigten auch jedes andere Handeln strafbar, das Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte verletzt und die Herbeiführung von wirtschaftlichen Vorteilen zur Folge hat. Aus der Vorschrift geht nicht direkt hervor, welche Handlungen unter rechtmäßiges Verhalten fallen und bei welchen eine Straftat vorliegt. Im Hinblick darauf stellte die polnische Beauftragte für Bürgerrechte beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Feststellung der Nichtvereinbarkeit dieser Regelung mit der polnischen Verfassung. Ihren Antrag begründete die Ombudsfrau damit, dass strafrechtliche Vorschriften nicht so weit in zivilrechtliche Verhältnisse eingreifen sollten, zumal zivilrechtliche Ansprüche aufgrund des Urheberrechtsgesetzes des Öfteren einen repressiven und nicht einen ausgleichenden Charakter haben. Beispielsweise kann bei Verletzung der Verwertungsrechte ein Bußgeld in Höhe von einer zwei- bis dreifachen Vergütung, die dem Berechtigten zustehen würde, verhängt werden. Wie der Verfassungsgerichtshof urteilte, schließe die Verfassung der Republik Polen den Entscheidungsspielraum des Staates im Bereich des Strafrechts nicht aus. Dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz stehen unbestimmte oder wertende Begriffe nicht entgegen, soweit deren Designate ermittelt werden können. Der Gerichtshof nahm auf seine vorherigen Entscheidungen Bezug, mit denen er den absoluten Charakter des Verbots verneinte. Er wies im Übrigen auf die Besonderheit der urheberrechtlichen Vorschriften hin. Im Hinblick auf dynamische Veränderungen der Informationstechnik und daraus resultierende neue Formen von Urheberrechtsverletzungen könne vom Gesetzgeber nicht eine detaillierte Regelung hinsichtlich jeder Verletzungsform erwartet werden.

Ein aktuelles Problem für Internetnutzer bestünde daher in der Fähigkeit, eigene Handlungen als legal einzustufen. Es sieht so aus, als wollte der Gesetzgeber die Bewertung der Rechtmäßigkeit von Verhalten im Internet auf dessen Nutzer abwälzen, indem er von ihnen jeweils eine Art rechtlicher Qualifikation verlangt. In Anbetracht dessen, dass der Verfassungsgerichtshof die unpräzisen Tatbestände der strafrechtlichen Verantwortung aufgrund des Art. 115 des Urhebergesetzes für verfassungskonform erklärt und sich für die Urheberrechtsverletzung im weiten Sinne ausgesprochen hat, bleibt die Liste der strafrechtlich pönalisierten Verhaltensweisen offen und unbestimmt. Eine Anhäufung von unbestimmten Begriffen, begründet jeweils mit dem Charakter des Urheberrechts und der ständigen Entwicklung informationstechnischer Prozesse, scheint im Hinblick auf so entstandene Rechtsunsicherheit inadäquat zu sein.

Autorin: Marta Daćków (Breslau)