Polen: Enorm hohe Gebühren in vergaberechtlichen Beschwerdeverfahren verfassungswidrig

Am 15. April 2014 urteilte der Verfassungsgerichtshof in der Rechtssache SK 12/13, dass die Vorschrift über die Höhe einer Gebühr für Beschwerden, die gegen Entscheidungen der Landesberufungskammer hinsichtlich der Tätigkeiten nach Angebotseröffnung in vergaberechtlichen Verfahren beim Bezirksgericht eingelegt werden, nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar ist.

Hintergrund
Das polnische Vergabegesetz vom 29. Januar 2004 sieht eine gerichtliche Aufsicht über Entscheidungen der Landesberufungskammer (überprüfendes Organ für öffentliche Auftragsverfahren) vor. Es handelt sich hierbei um das Rechtsmittel der Beschwerde, die Parteien und am Berufungsverfahren Beteiligte beim Bezirksgericht führen können. Beschwerdeführer haben dafür eine Gebühr zu entrichten, die im Gesetz über gerichtliche Kosten in zivilrechtlichen Verfahren (im Folgenden: Gerichtskostengesetz) geregelt wurde. Für sämtliche Beschwerden, die sich auf noch vor der Angebotseröffnung erfolgte Tätigkeiten beziehen, ist die Gebühr fest ermittelt und beträgt das Fünffache der Berufungsgebühr. Die anteilmäßig berechnete Gebühr in Höhe von 5% des Auftragswertes gilt dagegen für Beschwerden, die gegen Handlungen geführt werden, welche schon nach Angebotsöffnung in einem vergaberechtlichen Verfahren vorgenommen wurden, wobei sie nicht mehr als 5 Mio. PLN betragen kann.

Ungewöhnlich hohe Gebühren nichts verfassungskonform
Eine enorm hohe Beschwerdegebühr hinsichtlich der Handlungen nach der erfolgten Angebotseröffnung, insbesondere der Wahl des günstigsten Angebots, stellte bisher ein wesentliches Hindernis in der Geltendmachung von Ansprüchen - insbesondere für Klein- und Mittelunternehmen - dar, und bewirkte, dass das Recht zur Anfechtung von Entscheidungen der Landesberufungskammer illusorisch war. Sowohl Unternehmer als auch Praktiker aus dem Bereich des Vergaberechts betonten die zwingende Herabsetzung der Beschwerdegebühren gegen Entscheidungen der Landesberufungskammer, indem sie die Vereinbarkeit der so hohen Gebühr mit der Verfassung recht häufig bestritten haben.

Dieser Sachverhalt wurde zum Gegenstand der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, der im eingangs genannten Urteil erkannt hat, dass die gesetzliche Regelung über die Gebühr in Höhe von 5% des Auftragswertes verfassungswidrig ist. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes verstößt die Vorschrift gegen das Zugangsrecht zum Gericht und verletzt dabei das Recht aus Art. 77 Abs. 2 der Verfassung zur Anfechtung der erstinstanzlichen Entscheidungen. Darüber hinaus widerspricht diese Regelung (Art. 34 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes) Art. 78 der Verfassung. Sie begründet nämlich zu hoch gesteckte und erschwerte Anforderungen an die Erhebung einer Beschwerde beim Gericht, indem sie das Recht zur Anfechtung eines erstinstanzlichen Urteils nur formal gewährt. Wie der Verfassungsgerichtshof festgestellt hat, sei eine negative Beurteilung des Art. 34 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes vor allem auf die unverhältnismäßige Festlegung der Höchstgebühr zurückzuführen. Diese ist als prozentueller Betrag für jene Beschwerden gegen Entscheidungen der Landesberufungskammer zu entrichten, die sich auf Handlungen des Auftraggebers nach Angebotseröffnung beziehen. Der Betrag von 5 000 000 PLN sei somit als willkürlich und überhöht anzusehen.

Der Verfassungsgerichtshof urteilte, dass sämtliche Gerichtsgebühren in öffentlichen Auftragsverfahren, unabhängig davon, ob sie jegliche Handlungen vor oder nach der Angebotseröffnung betreffen, nach Maßgabe des Art. 34 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes berechnet werden; d.h. sie werden fest angesetzt und belaufen sich auf das Fünffache der Berufungsgebühr. Eine etwaige Änderung des Art. 34 ließ der Gerichtshof durch den Gesetzgeber entscheiden. Dies gilt sowohl für die Festlegung neuer Gerichtsgebühren in vergaberechtlichen Verfahren, als auch für die Wahl deren optimaler Berechnung. Wie der Verfassungsgerichtshof betonte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber aus Gründen, die durch die Verfassung legitimiert sind, anordnet, dass die Gerichtsgebühren in vergaberechtlichen Verfahren in gleicher Höhe wie zurzeit geltende Gebühren in vermögensrechtlichen Streitsachen festgelegt werden. Diese Frage hat der Verfassungsgerichtshof jedoch nicht entschieden.

Autorin: Anna Specht-Schampera (Breslau)