Corona, Home Office, notarielle Amtspflichten und Online-Beurkundung

I. Einführung

In Zeiten der weltweiten Coronakrise überschlagen sich die Ereignisse. Das was gestern galt, ist heute überholt und morgen bzw. übermorgen wieder infrage gestellt. Die Regierungen der maßgeblich betroffenen Länder sind aktuell damit beschäftigt, umfangreiche Strukturmaßnahmen zu beschließen und Rettungsschirme zu verabschieden, um einerseits ein weiteres Ausbreiten der Pandemie zumindest zu verlangsamen und auf der anderen Seite die wirtschaftlichen Folgen der Krise für die unmittelbar Betroffenen zumindest abzumildern.

Der Dienstleistungsbereich und hier maßgeblich die Beratungsbranche hat im Zuge der letzten Woche weitestgehend vom Bürobetrieb auf Home-Office-Betrieb umgestellt. Anwaltliche Beratungsleistung wird aktuell nahezu ausschließlich vom häuslichen Arbeitszimmer bzw. häuslichen Anwaltsbüro erbracht. Spätestens die letzten Tage dienten dazu, die entsprechend erforderliche Infrastruktur herzustellen, Laptops mit VPN-Verbindung auszustatten und das Konferenzvideosystem von zu Hause aus zu testen.

II. Online Beurkundung?

Nachfolgend soll der Frage nachgegangen werden, ob und gegebenenfalls in welcher Form der Notar in Deutschland aktuell in der Lage ist, seine berufliche Tätigkeit von zu Hause aus im Home Office zu erbringen.

Nach § 17 BeurkG hat der Notar den Willen der Beteiligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäftes zu belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiederzugeben. Dabei soll er darauf achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden. Bestehen Zweifel, ob das Geschäft dem Gesetz oder dem wahren Willen der Beteiligten entspricht, so sollen die Bedenken mit den Beteiligten erörtert werden. Zweifelt der Notar an der Wirksamkeit des Geschäftes und bestehen die Beteiligten auf der Beurkundung, so soll er die Belehrung und die dazu gegebenen Erklärungen der Beteiligten in der Niederschrift vermerken.

Fraglich ist, ob der Notar diese Pflichten nach dem Beurkundungsgesetz nur im Rahmen einer Präsenzbeurkundung oder auch in anderer Form gewährleisten kann.

III. Aktuelle Situation

Die Europäische Union ist aktuell Treiber der Digitalisierung. Mit diesem Begriff ist in diesem Zusammenhang noch keine künstliche Intelligenz oder aber der Einsatz von Roboteranwälten gemeint. Für den EU-Gesetzgeber bedeutet Digitalisierung aktuell die Kommunikation mittels digitaler Instrumente. Am 31. Juli 2019 ist die sogenannte Digitalisierungsrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie (EU) 2019/1151 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht) in Kraft getreten. Die in der Richtlinie enthaltenen Vorgaben gehen auf das sogenannte Company Law Package der Europäischen Kommission zurück und haben insbesondere die Online Gründung von Kapitalgesellschaften zum Gegenstand. Die Digitalisierungsrichtlinie ist bis zum 31. Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen, wobei dem nationalen Gesetzgeber eine Verlängerungsoption von einem Jahr zugestanden wird.

Anders als diesem ursprünglichen Kommissionsvorschlag vorgesehen war, stellt die Digitalisierungsrichtlinie ausdrücklich klar, dass die Mitgliedstaaten in allen Phasen des Onlineverfahrens Notare beteiligen dürfen. Damit stehen die neuen Vorgaben der Fortführung der deutschen Rechtstradition der vorsorgenden Rechtspflege, d. h. der doppelten Prüfung sowohl durch Notar als auch Registergericht, nicht entgegen.

Der Notar bleibt auch hier der sogenannte „Gatekeeper“. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang, inwieweit eine Online-Beurkundung erfolgen kann, die im Rahmen einer Videokonferenz durchgeführt wird. In Deutschland ist die Online-Beurkundung, so dringend sie im Moment im Hinblick auf die Coronakrise auch wünschenswert wäre, nach dem Beurkundungsgesetz aktuell „noch“ nicht möglich.

So hat der Notar aktuell bei die Beurkundung von Willenserklärungen eine Niederschrift über die Verhandlung aufzunehmen. In der Niederschrift müssen die Bezeichnung des Notars und die der Beteiligten enthalten sein sowie die Erklärungen der Beteiligten und schließlich Ort und Tag der Verhandlung. Dabei hat der Notar als maßgebliche Aufgabe, eine Identifizierung der Beteiligten vorzunehmen und Feststellungen über die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu treffen.

Schließlich muss die Niederschrift in Gegenwart des Notars den Beteiligten vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhändig von den Beteiligten und dem Notar unterschrieben werden. Das deutsche Beurkundungsrecht geht derzeit von einer Präsenzbeurkundung aus. Dem ist auch in Zeiten der Coronakrise zumindest in Deutschland Rechnung zu tragen.

Damit die aktuellen behördlichen Vorgaben zur Eindämmung der Coronakrise im Rahmen eines Beurkundungsverfahrens eingehalten werden können, muss der Notar allerdings darauf achten, dass neben ihm selbst an der Beurkundung max. 2 Personen teilnehmen. Die Personen sind in dem Beurkundungsraum so zu platzieren dass der vom Verordnungsgeber geforderte Mindestabstand von anderthalb Metern eingehalten wird. Es sind außerdem die weiteren Schutzmaßnahmen einzuhalten, d. h. konkret striktes Abstandhalten, Desinfizieren der Unterlagen, Hände waschen und Vermeidung jeglicher Berührungen.

Soweit es mehrere Vertragsbeteiligte gibt, hat der Notar im Vorfeld dafür Sorge zu tragen dass z. B. über Vollmachtserteilungen oder nachträgliche Genehmigungsverfahren die Mindestanzahl von drei Personen im Beurkundungsraum nicht überschritten wird.

IV. Ausblick

Die aktuelle Coronakrise, so groß ihr Schaden im persönlichen sowie wirtschaftlichen Umfeld auch sein wird, wird mit sehr großer Sicherheit zur Beschleunigung der Digitalisierung führen und vor allem der Durchführung von Online-Beurkundungen in Zukunft Vorschub leisten.

Denn gerade die oben aufgeführten Verpflichtungen, wie die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäftes zu belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiederzugeben, darauf zu achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden, können auch im Rahmen einer Videobeurkundung erfüllt werden.

Wichtig ist nur, dass die Identifikation der Beteiligten online so möglich ist, dass keine Zweifel bestehen. Notfalls muss dann die Online-Beurkundung abgebrochen und zur Präsenzbeurkundung gewechselt werden.

Bleiben Sie gesund und zuversichtlich in diesen schwierigen Zeiten!

Stand 24.03.2020
Wir weisen darauf hin, dass sich aufgrund der gegenwärtigen Dynamik die Rechts- und Gesetzeslage jederzeit ändern kann. Auf Rückfrage können wir Ihnen gerne den dann aktuellen Sachstand erläutern.

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Dr. Axel Berninger
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