Das Coronavirus greift um sich – auch im Arbeitsalltag

Das Coronavirus breitet sich mehr und mehr in Europa und in der ganzen Welt aus. Große sowie kleine Veranstaltungen werden in zunehmender Zahl abgesagt. US- Präsident Trump hat die Einreise von Europäern für einen Zeitraum von 30 Tagen in die USA untersagt, die amerikanische Basketballliga (NBA) hat den Spielbetrieb vorläufig eingestellt, die deutsche Eishockeyliga (DEL) hat die Spielsaison vorzeitig beendet und im Fußball werden einstweilen nur noch sogenannte „Geisterspiele“ ausgetragen.

Neben diesen Großveranstaltungen stellt sich aber insbesondere für Arbeitgeber die Frage, wie mit der Problematik „Corona“ im Arbeitsalltag verantwortungsvoll umgegangen werden kann. Hierbei kommt es zu dem schwierigen Spagat zwischen notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus – sei es aus Eigeninitiative, sei es aufgrund hoheitlicher Maßnahmen – auf der einen Seite und Erhalt der betrieblichen Abläufe zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage der Unternehmen auf der anderen Seite.

Mit diesem Beitrag möchten wir die arbeitsrechtlichen Aspekte der Situation beleuchten und die wesentlichen Fragestellungen und Rahmenbedingungen herausarbeiten, um Arbeitgeber in die Lage zu versetzen, den vorgenannten Spagat bestmöglich zu meistern.

Fürsorgepflichten des Arbeitgebers
- Welche Maßnahmen kann der Arbeitgeber treffen, welche hat er zu treffen?

Der Arbeitgeber ist gesetzlich gehalten, die Interessen seiner Arbeitnehmer zu wahren und zu schützen. Zu diesen Interessen gehört selbstverständlich auch die Gesundheit der Arbeitnehmer. Hieraus ergibt sich zunächst einmal, dass der Arbeitgeber in Fällen, in denen ein berechtigter Verdacht auf eine Corona- Infektion besteht, die betreffenden Mitarbeiter zum Schutze der übrigen Mitarbeiter nach Hause schicken muss bzw. bestenfalls den Zugang zum Betrieb im Vorhinein zu verweigern hat. Kommt es aufgrund leichtfertigen Umgangs des Arbeitgebers mit einem solchen Fall zu Ansteckungen der übrigen Mitarbeiter drohen schlimmstenfalls Schadensersatzforderungen.

Wann ein berechtigter Verdacht vorliegt, kann nicht einheitlich beantwortet werden. Nicht bei jeglichen Erkältungssymptomen muss eine Corona- Infektion befürchtet werden. Kommen jedoch weitere Anhaltspunkte hinzu, wie bspw. eine kürzliche Reise in ein verstärkt betroffenes Gebiet, dürfte es bereits empfehlenswert sein, den betroffenen Arbeitnehmer zum Schutze der übrigen Arbeitnehmer für die zweiwöchige Inkubationszeit von der Beschäftigung auszuschließen. Genauso dürfte zu verfahren sein, wenn ein Arbeitnehmer Kontakt zu vom Coronavirus betroffenen Personen oder bloß potenziell betroffenen hatte. Je nach Sachlage kann es ggf. auch erforderlich sein eine medizinische Untersuchung abzuwarten, wenn sich Anhaltspunkte für eine Infektion verdichten.

Der Arbeitgeber ist hingegen nicht verpflichtet zwingend Organisationsmaßnahmen zu ergreifen. So wird in den Medien vielfach davon berichtet, Arbeitgeber würden Meetings mit mehr als 3 Personen untersagen, Dienstreisen komplett untersagen oder „rotierende“ Anwesenheitszeiten anordnen. Zwar können Dienstreisen in stark betroffene Gebiete im Einzelfall unverhältnismäßig sein. Dies lässt sich jedoch sicherlich nicht pauschal für sämtliche Reiseziele (betroffene/unbetroffene Gebiete) und Reisemöglichkeiten (PKW/Flugzeug/Bahn) gleichermaßen beurteilen. Auch die personenmäßige Beschränkung von Meetings bzw. die ausschließlich digitale Durchführung von Meetings über Skype etc. kann zwar ggf. personalpolitisch ein zweckmäßiges Mittel sein, um ein klares Signal des Verantwortungsbewusstseins an die Mitarbeiter zu senden - rechtlich geboten ist dies jedoch nicht.

Bei der Ergreifung von präventiven Maßnahmen dürfte dem Arbeitgeber aufgrund der immensen wirtschaftlichen Risiken und der Tatsache, dass es sich um das Schutzgut der Gesundheit handelt, ein großer Beurteilungs- und Handlungsspielraum zukommen. So kann zwar nicht grundlos einem Mitarbeiter der Zugang zum Betrieb und damit die Beschäftigung untersagt werden, allerdings dürfte auch insoweit gelten, dass auch ohne körperliche Symptome der Zugang zum Betrieb verweigert werden kann, wenn sonstige Anhaltspunkte hinzukommen.

Dem Arbeitgeber dürfte es im Rahmen seiner Fürsorgepflicht darüber hinaus auch erlaubt sein, Arbeitnehmer aufzufordern, rechtzeitig von sich aus mitzuteilen, wenn sie auf Reisen in stark betroffene Gebiete gehen oder Kontakt, wenn auch nur mittelbar, mit betroffenen Personen hatten. Nur so ist es dem Arbeitgeber im Einzelfall möglich, die Situation abzuschätzen und gegebenenfalls ein Zutrittsverbot auszusprechen. Dementsprechend dürften die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer in diesen Fällen ausnahmsweise zurücktreten.

Vergütungsrechtliche Folgen
- Wer bezahlt das eigentlich?

Auch im Hinblick auf die Vergütung stellen sich eine Vielzahl von möglichen Konstellationen, welche jeweils im Einzelfall zu betrachten sind und gegebenenfalls unterschiedlich zu beurteilen sind.

Insoweit dürfte es gegebenenfalls überraschen, dass im Falle einer Erkrankung am Coronavirus der Arbeitgeber womöglich keine Entgeltfortzahlung zu leisten hat. Im Gegensatz zu sonstigen Erkrankungen, bei denen Entgeltfortzahlung zu leisten ist, wird wohl im Falle des Coronavirus regelmäßig eine Quarantäne seitens der zuständigen Behörden angeordnet werden. In diesem Falle ist der Staat zur Fortzahlung einer entsprechenden Entschädigung verpflichtet. Zwar läuft die Durchführung nach wie vor über den Arbeitgeber, sodass dieser zunächst das Entgelt fortzuzahlen hat, allerdings besteht im Gegenzug ein Erstattungsanspruch für diese Zahlungen gegen die zuständigen staatlichen Institutionen nach dem Infektionsschutzgesetz.

Für den Fall, dass lediglich vorsorglich der Zugang zum Betrieb untersagt wurde, sich am Ende jedoch herausstellt, dass eine Erkrankung am Coronavirus nicht vorlag, ist der Arbeitgeber zur Fortzahlung der Bezüge verpflichtet. In diesem Falle befindet sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug.

Kommt es zu Arbeitsausfall, weil der Arbeitnehmer die Arbeitsstelle aufgrund von Einschränkungen im Bahn- und Nahverkehr nicht erreichen kann, ist der Arbeitgeber nicht zur Zahlung der Vergütung verpflichtet, da der Arbeitnehmer das sogenannte „Wegerisiko“ trägt. Der Arbeitgeber trägt hingegen das sogenannte „Wirtschaftsrisiko.“ Kommt es also zu Auftrags- oder Absatzmangel, ist der Arbeitgeber nichtsdestotrotz zur Fortzahlung des Gehaltes verpflichtet.

Rechtlich unklar ist die Situation für den Fall, dass ein Betrieb aufgrund einer behördlichen Anordnung schließen muss. Dieses Szenario ist zudem äußerst realistisch, wenn die Situation sich weiter verschärft. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber nur Lohn fortzahlen, wenn die Betriebsunterbrechung seiner Risikosphäre zuzuordnen ist. Überraschenderweise sehen viele Autoren höhere Gewalt und behördliche Schließungen als vom Arbeitgeber zu vertretendes Risiko an. Selbstverständlich wird vielfach und mit guten Argumenten auch das Gegenteil vertreten. Klarheit wird hier wohl erst der erste höchstrichterliche Fall zum Coronavirus in dieser Konstellation bringen.

Abmilderung wirtschaftlicher Folgen
– Was kann man machen?

Sollte es tatsächlich zu einer Situation kommen, wonach die Arbeit nicht fortgeführt werden kann, aber die Vergütung fortzuzahlen ist, ist zunächst einmal an Abbau von Überstunden und Urlaubsgewährung zu denken. Die Anordnung kann in den meisten Fällen ohne eine besondere Form mündlich (per Telefon) erfolgen.

Darüber hinaus sollte möglichst frühzeitig sichergestellt werden, dass im Zweifel schnell auf „Home- Office“ umgestellt werden kann.

Schlussendlich bietet Kurzarbeit ein probates Mittel um die wirtschaftlichen Folgen eines Auftragseinbruches abzufedern. Der Gesetzgeber hat bereits reagiert und im Rahmen des „Arbeit- von- morgen- Gesetz“ die Voraussetzungen für Kurzarbeit abgesenkt, um der Wirtschaft Lösungen an die Hand zu geben.

Fazit

Das Coronavirus birgt zahlreiche neue Herausforderungen, welche rechtlich zwar weitestgehend antizipiert und beantwortet werden können, in ihrem wirtschaftlichen Ausmaß aber noch nicht abschätzbar sind. Der wohl wichtigste Rat ist demnach mit Weitsicht und Rationalität zu handeln.

Stand 13.03.2020
Wir weisen darauf hin, dass sich aufgrund der gegenwärtigen Dynamik die Rechts- und Gesetzeslage jederzeit ändern kann. Auf Rückfrage können wir Ihnen gerne den dann aktuellen Sachstand erläutern.

Ansprechpartner
Dr. Bernhard Heringhaus
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